4. Mai, kleine Szenen, gestern

ich sitze am Schreibtisch vor dem Fenster, schreibe und starre ab und zu hinaus in die Hochhausdisneyworld.  Auf dem  Huangpu, der wie ein kleiner Balken horizontal zwischen den Skyscrapern tags grau und abends mit gespiegelten Lichtstreifen erhellt durch das Bild fließt, bewegen sich Schiffe der unterschiedlichsten Art. Das alles könnte auch ein Computerbild sein.

Ich wandere an den Hochhäusern längs auf der Suche nach einer Bank, um Geld von meiner Kreditkarte abzuheben. Schon zwei vergebliche Versuche. Bin extra noch einmal ins Hotel zurück, um auch Bargeld mitzunehmen. Eine riesige Steintreppe hinauf, eine Glasfront entlang.  Eine Tür wird mir von einem Portier geöffnet. Wir verständige uns mit Handzeichen. Er zeigt mir den Weg zum Automaten. Eine weitere Enttäuschung. Zurück zum Portier. Erneute Verständigung per Hand. Er zeigt mir den Weg zur Schalterhalle, an deren beiden Längsseiten sich jeweils mindestens 20 Schalter befinden., nur 3 besetzt.  Vor einem Terminal eine Gruppe von Leuten in Uniform. Eine Frau weist mich an, einen Zettel aus einer Box zu ziehen. Die Nummer darauf scheint eine Terminalnummer zu sein. Vor meinem sitzen 3 Menschen. Aha. Meine Warteschlange. Nach einer halben Stunde bin ich an der Reihe. Die junge Frau, die mich hinter einer Glasscheibe bedient, breites Gesicht mit kleinen Augen und einer Knollennase, spricht ein bisschen Englisch. Ihre Bwegungen sind  präzise. Was sie alles macht, verstehe ich nicht. Ich muss meinen Pass zeigen und werde wieder einmal fotografiert. Dann noch die Unterschrift. Eine weitere Viertelstunde ist vergangen. Als ich das Gebäude verlasse, gehe ich an den immer noch debattierenden Leuten vorbei,es sind mindestens zen. Was reden die wohl die ganze Zeit?

In der Shanghai Library. Ich will online in der ältesten englischsprachigen Zeitschrift, The North China Daily, lesen. Das soll hier möglich sein, schrieb mir ein Informant der Bosch-Stiftung. Ohne große Mühe beantrage ich  einen Leseausweis an einemTerminal online.  An einem Schalter sitzen mindestens Leute in der Reihe, die auf Antragsteller warten, um Anträge entgegenzunehmen. Dieses Mal werde ich sehr schnell bedient. Im 4. Stock, dem Leseraum für fremdsprachige Zeitungen, versuchen gleich zwei Bibliothekarinnen, mir zu helfen. Obgleich ich die Katalognummer habe, dauert es eine Viertelstunde, bis sie nach intensiver Durchforstung des Internets ( sogar Google, das ich hier nicht einsehen kann, wird benutzt) ehe sie eine dritte Kollegin rufen, die besser Englisch spricht. Ich gebe den Tipp, dass das Original in einer anderen Bibliothek aufbewahrt wird. Anruf. Stimmt. You must go there. Freudiges Nicken. Alle drei eifrig bereit, mir den Weg zu erklären. Ich dankbar über die Hilfsbereitschaft.  Während unseres Gespächs ( bestimmt eine halbe Stunde) ist ein Mann mit einer Gießkanne herumgegangen und hat die zahlreichen Pflanzen in der Umgegend gewässert, auch die Aralie auf dem Schreibtisch meiner Helferinnen. Er scheint eigens für die
Aufgabe abgestellt. Mache mich auf den Weg.  Am Fahrstuhl schieben zwei ältere Frauen einen Wagen voller Blumentöpfe heran. Offensichtlich auch Pflanzenpflegerinnen. So etwas gibt es hier! Ich fange an, sozialistische Errungenschaften zu bewundern, ich zähle den Einsatz der Bibliothekarinnen dazu.

Ein Gedanke zu „4. Mai, kleine Szenen, gestern“

  1. Atmosphärisch, diese Ein- und Ausblicke, liebe Hilke!
    Nette Ergänzung gestern Weltbilder: Sascha Storfner über ihre Korri-Arbeit Peking und tiefer Westen.
    Danke, so bekomme ich nun auch ein Gefühl für die Westküste des Pazifiks…
    Herzlich wünscht Euch gesundes Durchkommen
    Ada aus der 4länder Blütenpracht in stabilem Hoch.

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