10. Mai, Rückblick

Ankommen am Sonntag in Lushan, abends halb zehn. Empfangen von Baker, einem großen, kräftigen Chinesen mit lebhafter Gestik, der Englisch spricht. Er führt uns über den menschenleeren, schwach beleuchteten Vorplatz zu einem Van, wo der Fahrer auf uns wartet. 1 Stunde wird die Fahrt nach Lushan Mountain dauern. Oje. Wir haben den ganzen Tag noch nichts Richtiges gegessen, auch gestern Abend nur ein paar Hefeklöße aus einem Holzkohleofen von der Straße. Gut, gehen wir über die Straße in einer kleinen Imbissstube. Die Nudeln für die Gemüsesuppe fertigt der Betreiber in wenigen Minuten aus einem Hefekloß, wirft sie in eine brodelnde Suppe, wieder nur ein paar Minuten, Suppe und Nudeln in die Schalen, dazu frisches Bak Shoy Blätter, schmeckte köstlich. Dann geht’s los. Vor der Auffahrt eine Kontroll- und Bezahlstation. Der Besuch im Naturschutzgebiet um den Lushan herum kostet pro Person 180 Yüan, da mich Achim als 70jährig tituliert, brauche ich nicht zu zahlen. Aber die Pässe werden registriert. Aus der Stunde werden eineinhalb, es geht auf schmalen Straßen bergauf durch dichten Nebel.
Da unten ist der See, in dem Mao gebadet hat, erklärt Baker. Ach ja, wir erinnern, sein berühmtes Bad, mit dem er seinem Volk nach den verheerenden Hungerkatastrophen (ausgelöst durch seine Politik der erzwungenen Industrialisierung) zeigte, dass er noch gesund und führungsfähig war. Danach rief er zur Mobilisierung der Roten Garden für die Kulturrevolution auf – eine weitere Katastrophe in der Geschichte Chinas. Mir war nicht klar, dass wir historisches Gebiet betreten. Giulin (heute Lushan) da fuhren wir Westler im Sommer hin zur Erholung, erzählte meine Großmutter, die 1906 meinen Großvater in Hamburg heiratete und mit ihm in Shanghai lebte. Wir fuhren mit dem Schiff den Jangtse hoch und dann mit Kutschen und zuletzt wurden wir und das Gepäck von Trägern den Berg hoch gebracht. Heho, heho, riefen sie. Und sie zeigte uns ein Foto mit ein paar flachen Häusern in bergiger Landschaft. Später haben wir dann den ganzen Krieg über hier oben leben müssen, weil wir nicht mehr im International Settlement, das ja von den Engländern und Amerikanern beherrscht wurde, wohnen durften.

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