Ein üppiges Frühstück etwas später mit einem Buffet für das internationale Publikum: Toast für die Engländer, French Toast und Cereals für die Amerikaner, Teigtaschen und Gemüse und faule Eier für die Chinesen. Ein bisschen Käse und Wurst für uns Deutsche. Mindestens 4 Kellnerinnen und Kellner stehen in dem Frühstücksraum herum, nur auf unser Winken hin erscheint eine Dame, um uns mit den Getränken zu bedienen. Als Achim nach einem Kaffee Tee wünscht, schenkt ihm diesen die Kellnerin umstandslos die die Kaffeetasse. Eine der vielen Widersprüche, die wir registrieren. Die Vormoderne in der Moderne. Das Noch-Nicht im Alles- Erreicht.
Nach dem Schreiben mache ich mich zu Fuß gen Bund auf, Im Banyan-Park am Huangpu Familienleben, Väter mit Kind, Frauen mit Müttern, Großeltern mit Enkel, dahinter der Sohn, im Café einige Leute. Angenehm. Auf dem Fluss Ausflugsdampfer und Massen von Kohleschuten, Weiter auf der Straße, Huangpu Lu, die führt vorbei am Astor House, ist es das Hotel, in dem Mutti wohnte, kann nicht sein, das war im International Settlement, nicht in Hungjiao. Gleich links die Suzhou River Brücke, hier drängeln sich die Menschen, auch zwei Hochzeitspaare, die Bräute in langen, roten Kleidern, die Hochzeiter im Frack, sie posieren vor den Profifotografen. Mich bittet eine Frau, sie mit dem Handy zu fotografieren. Nach kurzem Gespräch taucht ihr Freund auf, sie laden mich ein, sie zu irgendeiner Attraktion zu begleiten, habe die gute Ausrede, ich wäre mit meinem Mann verabredet. An der Dong…Lu, dem früheren Bund finde ich den Eingang zum Tunnel, durch den ich nach Pudong gehen will. Das erweist sich als nicht möglich, Der Tunnel ist zu einer Art Geisterbahn ausgebaut. Massen von Leuten, die meisten jung, drängeln sich vor den Kassen. 50 Juan, d. Circa 7,50 Euro für eine Strecke. Das ist sehr viel Geld für den Durchnittsverdiener. Massen drängeln sich auch vor den Kabinen, die – ähnlich wie bei einem Skilift – dicht hintereinander vorfahren. Ich stehe neben zwei jungen Mädchen, rundgesichtig wie Mongolinnen, die eine strahlt mich an, als die Fahrt durch den mit Lichtschlangen erleuchteten Tunnel beginnt. Heaven and hell nennt eine Stimme einen Abschnitt, die Kleine neben mir bekommt große Augen wie ein kleines Kind. Das kindliche Vergnügen, das den Massen geboten wird, das sie suchen.
Vor dem Oriental Pearl Tower wieder Massen von Leuten, die für Karten anstehen. Zähle die kleinste Summe, 35 Yuan für den Besuch des Shanghai History Museums. War vor 2 Stunden hier mit Achim verabredet, konnte ihn nicht telefonisch erreichen, sollte ich ihn zufällig hier treffen, wäre es ein Glück. Durchwandere die Ausstellung, die auf mehreren Stockwerken Shanghais Geschichte veranschaulicht…sehr anschaulich, „folkloristisch“ wird Achim später sagen. Das stimmt. Interessant aber, dass ganz wichtige historische Ereignisse in den 20-40er Jahren nicht dargestellt sind: die Kämpfe zwischen Kuomingtang und den Kommunisten, die Okkupation durch die Japaner, der Einmarsch der Amerikaner…ect. Geschichtsklitterungen.
Der Ausgang führt an den verschiedensten Boutiquen mit Klimbim vorbei. Draußen dämmert es schon. Halb acht, ich will mich beeilen, um zurück ins Hotel mit der U-Bahn zu fahren. Muss mich durch ein Menschengewimmel. Und wer sitzt da plötzlich am Straßenrand, auf einer steinernen Mauer vor mir, die Kamera auf eine grell rosa Leuchtschrift gerichtet: mein Achim. Zufall? Fügung? Schon einmal ist uns das passiert, in einer Metro in New York. „Wir kommen so leicht nicht voneinander los“, meint er.