Liege auf dem Bett, Achim durch Nachtisch getrennt in dem anderen, frontaler Blick auf einen großen Fernseher, nach links durch das wieder vom Boden zur Decke reichende Fenster wieder eine Hochhauskulisse, statt vom 15. Stockwerk jetzt vom 18. aus zu betrachten. Dieses mal steht der nächste Koloss vielleicht 20 Meter entfernt und heißt Goethe Hotel. Unsere Unterkunft ist das Red Star Culture Hotel, der Name weist auf Parteizugehörigkeit hin, die Ausstattung aus den 80er Jahren auch: sicherlich mal das Modernste des Modernen mit dem Versuch, die Tradition hochzuhalten: chinesisches Mobiliar auf den Gängen, im Frühstücksraum, mit – zugegeben- schönen Motiven alter Rollbilder. Plüschige Nostalgie könnte man es auch nennen. Wir sind hier die einzigen Europäer und können uns an einem chinesischen Frühstücksbüffet bedienen. Mit Hühnerkrallen, Gemüsesuppe, Jaudzes verschiedner Art, Würstchen, Pfannkuchen, Teeeiern, Reisbällchen, Melone, Suppen ect., auch Toast, Butter, Marmelade (in Plastikdöschen aus Deutschland). Mir verschlägt das Angebot den Appetit, Achim greift gut zu. Wir erinnern uns an die ersten chinesischen Frühstücksbüffets vor 17 bz. 15 Jahren. Wie einfach, wie bescheiden dagegen. Einige Teeeier, Jaudzes, Reissuppe, Toast. Mir wird dieses Angebot mal wieder zum Symbol für den Stand der Konsumkultur. Wie auch im vorherigen Hotel (eine Klasse besser) stehen überall viele Mitarbeiter herum, sind z. T. träge, was die Bedienung angeht, haben sehr oft traurige oder frustrierte Gesichtsausdrücke, viele sind sehr jung. Die Hotelgäste um uns herum haben sich gut bedient, essen aber nicht alles auf. Verlassen sie den Tisch sieht es ziemlich wüst aus. Eine Mitarbeiterin kommt mit einem Wägelchen, um den Tisch vom Müll zu leeren.
Eine Stunde dauerte die Fahrt vom Shangaier Bahnhof hierher. Es war wie ein Tripp in einer bisher nur im Science Fiction Film gesehenen Welt: Hochmoderner Bahnhof in Shanghai, vielleicht 1 km lang, 500 breit. Dagegen ist der Berliner Hauptbahnhof ein Winzling. Und alles strategisch inszeniert. An den Wänden ringsherum Läden, Schalter, Zugang zu den Gleisen, in der Mitte die riesige Wartehalle mit langen Reihen von Sitzplätzen. Zutritt nur mit Karte (mit nummeriertem Sitzplatz) und nach Gepäckkontrolle. Wie bei Flügen. Wie anders war das beim letzen Mal, als wir mit dem Zug nach Tsingtau fuhren. Auch die Menschen, die mitfahren, sehen meist anders aus als damals: keine Bauern mit Säcken oder Körben, keine Arbeiter in schwarzen Anzügen, denen man ansieht, dass sie nicht viel gekostet haben, viele junge Leute in T-Shirt und Jeans ( es ist ein heißer Tag), viele Frauen in bunten Kleidern. 1/4 Stunde vor Abfahrt des Zuges Anstehen am Gleiszugang. Nochmalige Kontrolle. Lange Schlange, kein Gedrängel. Der Zug gleicht unseren ICE Zügen. Alle Wagen (?) wie neu, gepflegt, Müll von vorheriger Reise gerade entsorgt. Vor jedem Halt geht jemand herum und lässt sich den Müll in eine Plastiktüte werfen. Alle Sitze sind besetzt. Abfahrt bald auf 220 km Geschwindigkeit. Die Gegend draußen platt, Häuserreihen, viele Kanäle, Baumplantagen, Fabrikanlagen, Gewächshäuser in Plastik ect. Nicht gerade reizvoll. Kein Platz mehr für Natur. Vor Hangzhou wieder Hochhausblöcke. Geräuschlose Einfahrt in den Bahnhof, ein riesig langes Gleis neben wievielten anderen? Achim fotografiert und fotografiert, wir wandern als letzte herunter, erneut Kontrolle. Und Empfang von einem sehr jungen Chinesen, Alexander, und dem Fahrer, die uns zum Hotel bringen.
Soweit, so gut. Fortsetzung folgt später.
Hier die Ergänzung für den Freitag. Mit Alexander, der Wang Hu Dong heißt, ein 23 Jahre alter Reisegruppenführer, vom Hotel durch die Nähe Altstadt, deren Häuser seh viel besser aussehen als vergleichbare in Shanghai, ebenso die Einkaufsmeile im alten Stil, viele Häuser sind wirklich alt. Unser Ziel: eine Apotheke für chinesische Medizin. Sie wurde Mitte des 19. Jahrhunderts eröffnet und hat die Zeiten unzerstört überdauert. Berkenswert. Noch immer werden die Kräuter hier nach alter Weise gewogen, gemischt, verpackt. Man kann die wichtigsten Ingredienzien hinter Glas bestaunen, u.a. ein pilzartiges Gewächs gegen Krebs, irreteuer. ich erstehe ein Mittel gegen die Bronchitis.
Später mieten wir mit As Hilfe Fahrräder für morgen, trinken einen Latte mit Ihm bei Starbucks, wandern zu zweit mit Massen am Ufer des Westsees entlang, bewundern die Parkanlagen mit uralten Bäumen, u.a. ein 800 Jahre alter Kampferbaum, und Gebäude im alten chinesischen Stil, lassen uns von einem Bootsführer zur Fahrt über den See anwerben und tuckern in einer Gruppe Chinesen im Abendlicht über See. Sehr romantisch. Drachenboote und andere Boote neben uns, am Ufer die tradionell anmutende Promenadensilhouette vor der Hochhausszenerie. 8 Millionen Einwohner soll Hangzhou laut A. haben, obwohl es Chinas beliebteste Touristenstadt ist und am Wochenende von Besuchern nur so überquillt, scheint es hier zivilisierter zuzugehen: die Auto halten am Zebrastreifen, wenn Fußgänger die Straße überqueren. Aber: an jeder Ecke stehen mindestens 2 Polizisten, jede Übertretung wird sofort geahndet.