Hangzhou, 6. Mai 2016, Rückblick

Gestern Abend kein Internetanschluss. Schreibfrei. Weiter in „Die Reisen des Marco Polo“gelesen, eine Goldmann Taschenbuchausgabe. Was für ein Abenteuer war Reisen damals, mit welchen Risiken verbunden. Was für eine Freude, die Welt neu entdecken zu können. Jetzt scheint alles entdeckt. Stimmt natürlich nicht.

Wir sitzen im Besprechungsraum von China Tours in einem Hochhaus in Pudong, ein schlichtes Zimmer mit Tisch und Stühlen, einige Meter über dem Büro, wo circa 10 sehr junge Angestellte vor Computern sitzen. Die Firma heißt hier 1 Million Voices, weil in China kein Privatunternehmen das Wort China im Titel tragen darf. Es organisiert Kulturelle Projekte mit verschiedenen Ländern. Celine Hu, die örtliche Büroleiterin, serviert Tee. Nach einigen Gesprächen will sie Achim für diverse Aktionen hier gewinnen. Sie hatten schon in Deutschland Kontakt. Die kleine, zarte Midreißigerin, schick in weiß-rosa Kleid mit dunklen Strümpfen und hochhackigen Schuhen, redet schnell in recht gutem Deutsch, sie hat in Heidelberg studiert. Ausstellung in Shanghai? Kein Problem. Ein Museum hat Interesse. Auch eine Bank. Termine mit den Betroffenen? Für heute anberaumt. Ansonsten: ob er nicht Fotoworkshops anbieten wolle. Jeweils zwei Wochen in der Ferienzeit. Die Studenten hier seien sehr interessiert. Langsam, langsam. Achim will ihr erstmal seinen Katalog zeigen. Sie durchblättert ihn schnell, sichtbar ohne Interesse. Leider wird aus dem Besuch im Museum nichts, die Leitung hat noch nicht ihr „Okay“ gegeben. Es ist ein staatliches Museum. Kostet mich so eine Ausstellung etwas? Raummiete. Wieviel? 10.000 am Tag. Renmembi oder Euro? keine Antwort, wie schon vorher bei der Frage nach Kosten am Telefon nicht. Aber es kann werden, nicht die Hoffnung aufgeben. Wir bemühen uns um Projekte. Eins sind Oldtimerfahrten von Deutschland nach China und umgekehrt. Das sind schwierige Unternehmen, vor allem, wenn reiche Chinesen mit ihren Autos mitfahren, erzählt Celine. Die haben kein Benimm, sind einfach nur reich und wollen immer nur Chinesisch essen. Das geht natürlich garo nicht, in Russland oder der Türkei. Und da hatten wir bei der ersten Tour 2 Männer dabei, die haben gesagt, kein Chinesischessen? Das machen wir nicht mit. Sie waren am nächsten Morgen abgeflogen, hatten einfach ihre teuren Autos stehenlassen, als Schrott. Die konnten wir dann entsorgen.

Nächste Szene: Nach der Taxifahrt mit Celine zum Bund, auf die andere Seite des Huangpu sitzen wir zu dritt in einem kleinen Besprechungszimmer einer Privatbank aus Singapure. Vor uns ein Bankangestellter, ein vielleicht 30jähriger schon leicht verfetteter Chinese. Er äußert großes Interesse an einer Fotoausstellung von einem deutschen Fotografen, wie uns Celine vermittelt, hat nur einige Fragen. Sie betreffen vor allem das Wie und Was und Wo der Ausstellung. Alles scheint machbar, alles möglich, die Bank will kein Geld für die Räume. Es ist eine Bank für ganz Reiche, die werden persönlich eingeladen. Die Philosophie des Besitzers: Föerderung von Kultur und Kindern. Ob der Fotograf bereit sei, auch zwei Fotos für die Sammlung des Besitzers zu spenden? Ob er die Räumlichkeiten, die man gerade renoviert habe, für die Kunden zu fotografieren? u.s.w. Zum Schluss des Gesprächs besichtigen wir die Räumlichkeiten im ersten Stock. Luxuriös eingerichtete Besprechungszimmer mit Sofas und zwei prunkvollen alten chinesischen Stühlen. Für Fotos an den Wänden wenig Platz.
Man könnte, sagt Celine, auch den Treppenaufgang nutzen. Der Bankangestellte nickt: alles machbar. Er hat einen schlaffen Händedruck, als wir uns verabschieden.

Und noch ein Besuch an diesem Tag, das Goetheinstitut in Shanghai, dass sich auf Anweisung der Chinesen nicht Goetheinstitut nennen darf und durch besondere Konstruktion eine Abteilung des Konsulats ist. Der Leiter hat Zeit bis halb sechs, dass er pünktlich Feierabend machen will, ist klar. Ein freundlicher, vielleicht 40jähriger Herr Dr., der keinen Hehl daraus macht, dass er sich freut, bald versetzt zu werden. Schwierig, die Chinesen, jeder nur auf seinen Vorteil bedacht, rücksichtslos. Und die Luft und das Wetter und…

Die schlechte Luft macht mir inzwischen auch zu schaffen, ich habe eine leichte Bronchitis.

Nicht sonderlich traurig am Morgen um 7 Uhr letzte Blicke aus dem Fenster ins Hochhauspanorama. Wie gestern ein grauer Smogschleier über und in der Stadt, sehr stickig, meine leichte Bronchitis hatte mich nachts heftig husten lassen.

2 Gedanken zu „Hangzhou, 6. Mai 2016, Rückblick“

  1. Liebe Hilke,

    schön von deinen und euren Reiseeindrücken zu lesen. Da ich gerade „Panikherz“ lese, steuere ich mal das Zitat vom Anfang dieses Buches bei: „Die längsten Reisen fangen an, wenn es auf den Straßen dunkel wird“, natürlich ein echter Fauser. Und ganz gleich, ob denn die Reisen in die nächtlichen Untiefen oder die in wachen und schläfrigen Träumen gemeint sind, Reisen hat auf jeden Fall immer etwas davon. Eine Reise in die doppelte Vergangenheit, der Familie und der eigenen Erkundungen in früheren Jahren, ist da sicher eine von mehreren inneren Spiegeln umrandete Erfahrung.

    Wettermäßig können wir ja ein wenig hier mithalten, strahlender Sonnenschein, dazu ein wenig Gedröhne vom Hafen in dieser sonst sehr ruhigen Ecke: Hafengeburtstag. Also richten sich meine Schritte heute lieber in die andere Richtung, ich hasse ja solche Veranstaltungen. Also auf, Richtung St. Pauli, Wein kaufen bei hellstem Licht auf die Abseiten dieser Stadt.

    Weiterhin viel Spaß und herzliche Grüße
    Ute.

  2. Hallo liebe Hilke und Achim!
    Raummieten: Wahnsinn! Platz für die Fotos: Fehlanzeige. Oldtimerfahrten, die nur mit chinesischem Essen stattfinden sollen. Ist ja wie bei uns. Wat de Bur nicht kennt, dat freit he nich.
    Rauchen ist überflüssig. Die Luft ist eh‘ schlecht. Ansonsten ist alles machbar und im Wandel. Liebe Grüsse sendet euch Elisabeth

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